Auf dem Medienportal Colombia Informa gibt es ein Interview (1) von Danna Urdaneta mit Andrés París [bürgerlicher Name Jesús Emilio Carvajalino], der einen Teil der ehemaligen FARC-EP-Kämpfer*innen um sich schart, die sich von der FARC-Partei nicht mehr vertreten fühlen. Er selbst war hochrangiges Mitglied der ehemaligen Guerilla, ist aber nun unzufrieden mit der Führung der Partei und hat ihr den Rücken zugekehrt. Mit rund 2000 ehemaligen Kämpfer*innen der FARC-EP, denen es ähnlich geht, versucht er derzeit einen alternativen Weg der Wiedereingliederung. Mit in diesen Prozess ist auch Sonia involviert, eine ehemalige politische Gefangene der FARC, die in den USA mehr als 11 Jahre im Gefängnis verbrachte. In dem Interview geht es um die derzeitige Mobilisierung des kolumbianischen Volkes im Rahmen des Nationalstreiks, aber auch um Wahlen und die Situation der politischen Gefangenen, einschließlich Simón Trinidad.
Dabei ist interessant, dass Andrés París von mehr als 600 politischen Gefangenen spricht, die sich der FARC zugehörig fühlen und immer noch inhaftiert sind. Es ist ein großes Problem, dass derzeit in den kolumbianischen Gefängnissen viele Gefangene sind, deren rechtlicher Status immer noch ungeklärt ist. Dazu gehört eben auch die Zahl der zur FARC gehörenden inhaftierten Personen. Einige konnten sich nicht mehr in die Listen einschreiben, andere wiederum wurden von Regierung oder FARC nicht als ihre Mitglieder anerkannt. Und selbst jene, die mittlerweile von der Regierung als politische Gefangene der FARC anerkannt sind, gibt es 160-170, die sich noch immer in Haft befinden, obwohl das Friedensabkommen mehr als drei Jahre alt ist.
Dieses Problem der Anerkennung drückt sich auch darin aus, dass die FARC in einem jüngsten Kommuniqué des Nationalen Politischen Rates, dem höchsten Gremium der FARC-Partei, von einer Zahl von 171 Gefangenen ihrer Organisation spricht: „Wir grüßen unsere Genossen, die nach wie vor Gefangene sind, von denen 171 vom Staat als ehemalige Mitglieder der FARC-EP anerkannt sind, und fordern den Staat auf, sie gemäß der Vereinbarung unverzüglich freizulassen.“ (2) In einem Gruß von Tanja Nijmeijer an unser Komitee spricht sie selbst von mehr als 300 politischen Gefangenen in den Gefängnissen des kolumbianischen Regimes. 160 von ihnen wurden bereits von der Regierung bestätigt, also anerkannt. (3)
Wir übersetzen nun die Passagen, in den Andrés París Worte über die politischen Gefangenen und Simón Trinidad verliert:
Colombia Informa: Am 15. September letzten Jahres sandten sie einen Brief an Emilio Archila, Hoher Präsidentenberater für Stabilisierung und Konsolidierung, und an Andrés Felipe Stapper, Direktor der Agentur für Wiedereingliederung und Normalisierung, wo sie vorschlugen, politische Gefangene, die von den akkreditierten Listen ausgeschlossen waren, sowie andere ehemalige Kämpfer anzuerkennen, die zum ersten Mal nicht anerkannt wurden. Was hat sie motiviert zuzugeben, dass einige von den Listen gestrichen wurden, andere nicht einmal beim ersten Mal erkannt wurden, über wie viele politische Gefangene sprechen wir?
Jesus Carvajalino: Die Frage der Gefangenen ist ein weiterer Aspekt der administrativen Verwirrung und die unklare Art und Weise, wie die Führung der Rose [FARC-Partei, Logo der FARC-Partei ist die Rose] die Umsetzung der Vereinbarungen durchführt. Mehr als 600 Personen, die sich der FARC zugehörig fühlen, verbleiben in Gefängnissen, ohne ihren rechtlichen Status zu klären. Das liegt daran, dass die Listen geschlossen wurden, bevor sich alle ehemaligen gefangenen Kämpfer registrieren konnten. Unordnung und Vernachlässigung charakterisierten diese Arbeit, mittels dem sie unsere Leute durch Amnestie aus den Gefängnissen holen.
C.I.: Sie waren mehrmals in den Caguán-Dialogen [Friedensgespräche von 1999-2002] mit Simón Trinidad zu sehen. Was können sie uns über ihre Erfahrungen mit ihm erzählen und was ist in Havanna passiert, dass er nicht in die Friedensvereinbarungen aufgenommen werden konnte?
J.C.: Simón Trinidad war immer in den Dialogen von Havanna anwesend. Seine Freiheit wurde immer gefordert. Die kolumbianische Regierung und Gringos [USA] versprachen, ihn freizulassen, wenn der Friedensprozess voranschreitet. Die Vereinbarung wurde unterzeichnet und Simón wurde nicht freigelassen. Es ist offensichtlich, dass es in der Verhandlungsstrategie der kolumbianischen Regierung auch darum ging, Versprechungen aufzuschwatzen, auch um in diesem Punkt zu täuschen. Und Timoschenko hat nicht versucht, den Fall von Simóns Freilassung zur Angelegenheit einer roten Linie zu bestimmen.
C.I.: Das Wahlergebnis vom 27. Oktober bescherte Julián Conrado den Sieg in Turbaco. Und genauso gab es einige alternative Ausdrücke, die Räume der in den Regionen Kolumbiens konstituierten Macht eroberten. Dies sind wertvolle Gewinne, aber nicht ausreichend. Können Sie die 8 Millionen Stimmen, die Petro erhalten hat, den Raumverlust des Uribismus [rechter Politikstil des ehemaligen Präsidenten Uribe] bei den letzten Wahlen und den gegenwärtigen nationalen Streik als symptomatisch ansehen?
J.C.: Wahlen sind ein Raum, um die Korrelation von Kräften in der Politik zu messen. In der Tat haben die alternativen Bewegungen Fortschritte gemacht, aber auch die liberale Partei, die Teil des Establishments ist. Der Uribismus unterhält eine große Wahlbasis und geht auf Antioquia zurück, wo er entstand. Die Wahlen reichen jedoch nicht aus, um die Änderungen durchzusetzen.
Spaltungen und Opportunismus führen dazu, dass sich die Korrelation der Kräfte in den Organisationen der Wahl der Bevölkerung nicht gut widerspiegelt. In dem Nationalstreik wird deutlich, dass die Menschen in Kolumbien aus Protest gegen die Wirtschaftskrise protestierten. Und obwohl die Linke und die Alternativen im Wahlsektor auf dem Vormarsch sind, hat der Streik gezeigt, dass es in diesen Kräften sehr gravierende Lücken gibt, die keine Organisation und keinen Einfluss auf die Massen aufbauen.
Quellen:
(1) http://www.colombiainforma.info/mas-de-600-personas-de-farc-siguen-en-las-carceles-andres-paris/
(2) http://partidofarc.com.co/es/actualidad/declaraci%C3%B3n-pol%C3%ADtica-693
(3) https://simontrinidad.blackblogs.org/2019/12/06/gruss-von-der-internationalistischen-kaempferin-tanja-nijmeijer-alexandra-narino/