Sorge auch um Simón Trinidad wegen COVID-19

Die Sorge der Häftlinge sowie der Solidaritätsorganisationen für politische Gefangene überall auf der Welt vor der COVID-19-Pandemie gilt selbstverständlich auch für Simón Trinidad, der im ADX Florence im US-Bundesstaat Colorado inhaftiert ist. In den USA gelten wie in vielen anderen Ländern auch nun verschärfte Vorschriften, zum Beispiel das Verbot von sozialen Kontakten. In vielen Ländern führten die Besorgnis, die Einschränkungen und die Haftbedingungen zu Aufständen, wie in Italien oder Kolumbien. Zu der verschärften Isolation kommen ausgesetzte Rehabilitationsprogramme und kulturelle Möglichkeiten. Oftmals werden die Gefangenen mit ihrer Angst vor dem Virus und dem Gefängnisaufenthalt alleine gelassen.

In den USA sind derzeit mehr als 175.000 Menschen inhaftiert, darunter 10.000 über 60-Jährige und Tausende mehr in medizinischen Zentren der Haftanstalten mit Vorerkrankungen. Obwohl Simón Trinidad als politischer Gefangener der ehemaligen kolumbianischen Guerilla unter extremer Isolationshaft seit jeher davon beschnitten ist, sind die Sorge um die Ausbreitung des Virus auch in den Haftanstalten und die Sorge um seine Gesundheit auch bei uns vorhanden. Auch wir fordern adäquate Gesundheitsvorkehrungen, Maßnahmen der Prävention gegen COVID-19 sowie die Freilassung, gerade jetzt, wo sich Gefangene wie Simón Trinidad allein und in Isolation mit dem Coronavirus in ihrer Zelle gegenüberstehen.

18. März – Tag der politischen Gefangenen

Der 18. März ist ein geschichtsträchtiges Datum. 1848 kämpfte das zu jener Zeit entstehende Proletariat auf den Barrikaden gegen die herrschende Klasse. Im Jahr 1871 erhoben sich in Paris die Arbeiter*innen, die unter dem heute bekannten Begriff der Pariser Commune eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung schaffen wollten. Zehntausende wurden getötet und rund 13.000 erhielten zumeist lebenslängliche Haft. 1923 erklärte die Rote Hilfe den 18. März zum Tag der politischen Gefangenen. Der Faschismus setzte dieser Tradition ein jähes Ende.

Erst in den 1990er Jahren gab es Bestrebungen, den Tag der politischen Gefangenen mittels eines bundesweit durchgeführten Aktionstages wieder in der linken Bewegung zu etablieren. Seit dem werden jährlich Aktionen, Demonstrationen und Veranstaltungen organisiert, um an die Situation der politischen Gefangenen aufmerksam zu machen und sich mit ihnen zu solidarisieren. Weltweit befinden sich Tausende Menschen in den Gefängnissen, weil sie gegen Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen. Einer unten ihnen ist Simón Trinidad, der als ehemaliges Mitglied der kolumbianischen Guerilla in einem Hochsicherheitsgefängnis in Colorado/USA inhaftiert ist.

Freiheit für Simón Trinidad und alle politischen Gefangenen!

Artikel in der Rote Hilfe Zeitung

Die Rote Hilfe Zeitung (RHZ) ist das Printorgan der größten linken und strömungsübergreifenden Solidaritäts- und Antirepressionsorganisation im deutschsprachigen Raum, der Roten Hilfe. Sie hat bundesweit über 10.000 Mitglieder und bringt mit der RHZ viermal im Jahr eine Zeitung heraus, die Tausende Personen erreicht. In der aktuellen Ausgabe 01/2020 gibt es im Bereich „Internationales“ einen Artikel über unser Komitee zur Freilassung von Simón Trinidad und weiterführende Informationen zu seinem Fall. Die Zeitung mit dem Artikel gibt es als PDF-Version und diesem Weblink zur freien Verfügung.

Prekäre Situation der Gefangenen in Kolumbien

Für uns ist es manchmal schwer vorstellbar, wie schwierig und vor allem prekär die Situation der Gefangenen in den kolumbianischen Gefängnissen ist. Auch wenn Simón Trinidad nicht in Kolumbien inhaftiert ist und wir als Solidaritätskomitee vorrangig seine Situation im Blick haben, so wollen wir doch auch den Blick über den Tellerrand werfen und uns solidarisch mit den politischen Gefangenen in Kolumbien zeigen. Unter den fast 200.000 Gefangenen, wobei die überwiegende Mehrheit von über 98% (191.382 Gefangene) durch das im Jahr 1992 gegründete Nationale Institut für Strafvollzug und Gefängnis in Kolumbien INPEC (Instituto Nacional Penitenciario y Carcelario) verwaltet wird, befinden sich Tausende politische Gefangene. 65% der durch das INPEC verwalteten Gefangenen, also fast 125.00, sind in den nationalen Haftanstalten ERON (Establecimientos de Reclusión del Orden Nacional) inhaftiert. Dort sind die Bedingungen mehr als schlecht.

Das INPEC beschreibt in ihren Berichten (hier der Bericht vom Januar 2020) selbst von einer Überbelegung. So übersteigt die Anzahl der Inhaftierten „immer erheblich die Kapazität der ERON´s“. So gab es laut Dokumentation des INPEC (1) eine Gefängniskapazität von 80.156 Plätzen und mit einer realen Anzahl von 124.188 Insassen, was zu einer Überbelegung von 44.032 Menschen führte, was einer Überbelegungsrate von 54,9% entspricht. Die am meisten überfüllten Gefängnisse befinden sich in den größten Städten des Landes. In Cali, wo das Gefängnis EPMSC – ERE für 2.046 erschaffen wurde, sind 5.988 inhaftiert, eine Überbelegungsrate von 192,7%. Ähnlich sieht es im COMPLEJO COBOG in Bogotá aus (Kapazität: 6.002, Belegung: 9.383) oder im EPMSC in Medellín (Kapazität: 1.368, Belegung: 3.334). Dies ist die Situation in fast allen Gefängnissen des Landes und die offiziellen Zahlen mit Vorsicht zu genießen, denn geschönt.

Ein Drittel der Inhaftierten ist bisher noch nicht rechtskräftig verurteilt. Dies ist ein hoher Anteil und zeigt deutlich, dass viele erst einmal inhaftiert werden und mehrere Monate und sogar Jahre ohne juristische Begleitung im Gefängnis sind. Zu den politischen Straftaten sind die Zahlen, die überhaupt mit Vorsicht gesehen werden müssen, nicht greifbar, da oftmals keine Entschlüsselung nach politischer Relevanz erfolgt. So können Drogenhandel oder Waffenbesitz für politische, wie auch kriminelle Häftlinge gelten. Ein Mittel der Entpolitisierung und Stigmatisierung des Staates ist die Verurteilung nach kriminellen Maßstäben. Ein Ziel der politischen Gefangenen ist somit ihre politische Anerkennung und Zusammenlegung.

Erst im Februar gab es von der Nationalen Gefängnisbewegung in Kolumbien (Movimiento Nacional Carcelario en Colombia), eine Organisation, die es den Gefangenen des Landes ermöglicht hat, Räume für Dialog und Auseinandersetzung mit der Forderung nach ihren Menschenrechten zu entwickeln, eine öffentliche Klage (2) zu den Zuständen im ERON La Picota in der Hauptstadt Bogotá. Vor allem im Bereich der Gesundheits- und Nahrungsversorgung gibt es große Schwierigkeiten. Oftmals kommt es zu langwierigen Quarantänen aufgrund von Massenerkrankungen. Das heißt, das Besuche nicht empfangen werden dürfen und auch innerhalb des Gefängnisses die Mobilität stark eingeschränkt ist.

Dabei sind es strukturelle und lang bekannte Probleme, die nur zögerlich angegangen werden. Im ERON La Picota sind bereits in den Jahren 2018 und 2019 die Bereiche der Lebensmittelzubereitung vom Gesundheitssektor geschlossen worden, weil die hygienischen Mindeststandards nicht vorhanden waren. So gab es zum Beispiel in allen Kochbereichen Nagetiere, sowie keine Infrastruktur für die Entsorgung von organischen Abfällen und Abwasser. Vor allem durch die fehlende Abwasserentsorgung können sich Nagetiere, Mücken und Fliegen sehr schnell ausbreiten. Ein weiteres Problem ist die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln, sauberen Trinkwasser und der fehlende Zugang zu Medikamenten bzw. zum Gesundheitssystem. Hinzu kommen schlechte Zustände in den Zellen und Trakten der Gefängnisse, zum Beispiel seit vier Jahren nicht funktionierende Aufzüge zu den höheren Etagen.

Quellen:

(1) http://www.inpec.gov.co/web/guest/estadisticas/informes-y-boletines

(2) http://www.comitedesolidaridad.com/es/content/denuncia-p%C3%BAblica-4